Dürre, Hunger, Ernteausfälle – schwerwiegende Folgen des Klimawandels
Äthiopien leidet immer wieder unter schweren Dürreperioden und daraus folgenden Hungersnöten. Diese Dürrephasen sind zum Teil auf den durch die Industrie- und Schwellenländer verursachten Klimawandel zurückzuführen. Insbesondere die Energiewirtschaft und der Verkehr in industrialisierten Gesellschaften sind maßgebliche Faktoren für einen immensen C02-Ausstoß, der die globale Erwärmung vorantreibt. Auch Deutschland gehört neben den Vereinigten Staaten, China und Rußland zu den größten Emittenten von Treibhausgas weltweit. Das Wetterphänomen El Niño verschärft die Situation zusätzlich. 1) UNO: Report of the Conference of the parties on its twenty – first session, held in Paris from 20 November to 13 December; Stand vom 09.02.17 2) Greenpeace: Ursachen des Klimawandels; Stand vom 09.02.17 Nun steht Äthiopien vor einem Problem, das es selbst nicht verursacht hat.
Die Hungersnot von 2016 war die gewaltigste am Horn von Afrika seit 50 Jahren. Rund 18 Millionen Menschen waren akut auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. 3) The Telegraph: Ethiopia struggles with worst drought for 50 years leaving 18 million people in need of aid; Artikel vom 23.04.16 Gleichzeitig gefährden klimabedingte Ernteausfälle die äthiopische Volkswirtschaft, denn das Land ist vom Export landwirtschaftlicher Produkte wie Kaffee abhängig. Da über 70 Prozent der Bevölkerung von Landwirtschaft leben, wiegen die Folgen des Wassermangels besonders schwer. 4) LIPortal: Äthiopien – Wirtschaft und Entwicklung; nicht mehr verfügbar
Äthiopien nutzt Entwicklungshilfe für Repression und Militarisierung
Die äthiopische Regierung stand in der Vergangenheit oft in der Kritik, entwicklungspolitische Spendengelder zu missbrauchen.
So berichtete das Magazin Spin schon 1986, dass sehr viele Spendengelder in Zusammenhang mit dem Benefizkonzert Live Aid gesammelt worden waren, als dadurch der Blick einer breiten Öffentlichkeit auf die damalige Hungersnot gelenkt wurde. Allerdings kamen diese Gelder nicht den Bedürftigen zugute, sondern wurden von der Regierung zum Aufbau der bis dato größten Armee der Subsaharazone verwendet 5) Spin: Live Aid: The Terrible Truth; Artikel vom 13.07.15 .
2010 berichtete die BBC, dass wiederum viele Spendengelder anstatt an Hilfsorganisationen, an Rebellengruppen flossen, die damit Putschversuche gegen die Regierung durchzuführen versuchten 6) BBC News: Ethiopia famine aid ’spent on weapons‘; Artikel vom 03.03.10 .
In einem ebenfalls 2010 veröffentlichten Bericht beklagt Human Rights Watch, dass die äthiopische Regierung entwicklungspolitische Hilfen nutze, um Oppositionelle zu unterdrücken und die eigene Macht zu stärken. So wurden nicht der Regierungspartei Angehörigen und Regierungskritikern staatliche Leistungen, die durch ausländische Hilfsprogramme gefördert wurden, vorenthalten. Auch wurden sogenannte Capacity Building Programme verwendet, um Schüler und Beamte zu indoktrinieren. Im Bildungssektor, der auch durch ausländische Hilfen finanziert wird, wurden Lehrern, die nicht der Regierungspartei angehörten, Fortbildungen untersagt. 7) Human Rights Watch: Äthiopien: Entwicklungshilfe fördert Unterdrückung; Artikel vom 19.10.10
Und dennoch gehört Äthiopien zu den Ländern, die weltweit die meiste Entwicklungshilfe erhalten. 8) Human Rights Watch: Äthiopien: Entwicklungshilfe fördert Unterdrückung; Artikel vom 19.10.10 Die Europäische Union und die USA sind die größten Geldgeber für das Land am Horn von Afrika. Zwischen 2015 und 2017 stellte die Bundesregierung 129 Millionen Euro bereit. 9) BMZ: Äthiopien; Stand vom 10.02.17
Nahrungsmittelhilfe treibt Preise für einheimische Güter in die Höhe
Aber auch wenn die Entwicklungshilfe bei den Bedürftigen ankommt, hat falsches Vorgehen negative Folgen: So hat die Lieferung von großen Mengen an Nahrungsmitteln, vor allem von Mais und Getreide, zur Folge, dass Preise für einheimische Lebensmittel drastisch abfallen oder diese gar nicht mehr gekauft werden. Denn oft werden die Hilfsmittel auch weit nach Bewältigung einer Hungersnot verteilt. Dies schädigt die lokale Wirtschaft und treibt die äthiopischen Bauern in Existenznot, wie es beispielsweise wiederholt 2013 geschah. Gleichzeitig zieht die äthiopische Landbevölkerung zunehmend in die Städte, in denen sich die Hilforganisationen niedergelassen haben. Unzählige suchen in den Ballungszentren neue Einkommensquellen oder sind schlicht auf die dortige Lebensmittelhilfe angewiesen. 10) Der Tagesspiegel: Äthiopische Lektionen; Artikel vom 24.03.13
„Wer die Armut bekämpfen will, muss die Landwirtschaft fördern und nicht Nahrungsmittel liefern.“
Volker Seitz, ehemaliger deutscher Diplomat und Botschafter in Afrika
Ausländische Investoren profitieren von günstigem Land und billigen Arbeitskräften – die Bevölkerung geht leer aus
Da das Land nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, wurden in den letzten Jahren die Bedingungen für ausländische Investoren in deren Interesse verbessert 11) US Department of State: Ethiopia Investment Climate Statement 2015, S. 3f.; nicht mehr verfügbar .
So verpachtet die äthiopische Regierung große Flächen von Land an in- und ausländische Investoren. Allein seit 2011 sollen 3,6 Mio. Hektar Land freigegeben worden sein. Indische, saudische oder auch niederländische Firmen produzieren in Äthiopien Waren, die exportiert werden und nicht für den Konsum durch die äthiopische Bevölkerung gedacht sind. So werden auf großen Plantagen beispielsweise Schnittblumen für den niederländischen Markt produziert, und zwar unter äußerst problematischen Arbeitsbedingungen für die einheimischen Arbeiter. 12) Brot für alle: Trotz Repression bekommt Äthiopien Entwicklungshilfegelder; nicht mehr verfügbar 13) FAZ: Unruhen in Äthiopien: Im Vorzeigeland brodelt es; Artikel vom 26.12.16
Auch an deutsche Firmen wird in Äthiopien Land verpachtet, beispielsweise an die mittlerweile insolvente Acazis AG aus München. Diese hatte Anfang der 2000er in Äthiopien 56.000 Hektar Land für 50 Jahre gemietet. Auf diesen Flächen sollte Öl für die Pharma-, Kosmetik- und Automobilbranche hergestellt werden. Zwar versicherte Acazis, dass auf diesen Flächen später auch Lebensmittel hergestellt werden könnten. Dies wurde jedoch nie realisiert. 14) landgrabbing.de: Agrosprit ist nicht essbar; Stand Februar 2017, nicht mehr verfügbar
Ebenso in der Kritik steht H&M. Der schwedische Textilhändler produziert unter investitionsfreundlichen Bedingungen und billigen Preisen. Löhne sind bedingt durch die im Land herrschende Armut extrem niedrig. H&M vermeidet es außerdem Einkommenssteuern in Ländern zu zahlen, in denen für das Unternehmen produziert wird, indem die Produktion außerhalb Schwedens an Subunternehmen ausgelagert wird. So werden Gewinne in Produktionsländern faktisch nicht erzielt. 15) Netzfrauen: Die billige Masche von H&M – Die Karawane zieht weiter: „Made in Ethiopia“; Artikel vom 04.11.14
Internationale Firmen ziehen Vorteil aus Menschenrechtsverletzungen
Die in den an Investoren verpachteten Gebieten lebenden Menschen, meist Indigene, werden im Zuge des „Villagization“ Programms umgesiedelt. Dieses hat offiziell zum Ziel, den Menschen in neuen Dörfern eine Grundversorgung zu bieten, jedoch werden die Umsiedelungen gewaltsam durchgeführt. So kam es bereits zu Vergewaltigungen und Inhaftierungen. Kritiker des Programms wurden gezielt eingeschüchtert, zusammengeschlagen oder verschwanden gar spurlos. 16) The Guardian: Ethiopians talk of violent intimidation as their land is earmarked for foreign investors; Artikel vom 14.04.15
Das „Villagization” Programm wird unter anderem mit Entwicklungsgeldern „westlicher” Länder, wie auch Deutschlands, finanziert wie auch von der Weltbank, die Sozialprogramme in Äthiopien mit mehreren hundert Millionen Dollar unterstützt. 17) Brot für alle: Trotz Repressionen bekommt Äthiopien Entwicklungshilfegelder; nicht mehr verfügbar
Im Jahr 2013 wurden gegenüber britischen und US-amerikanischen Hilfs- und Entwicklungsagenturen Vorwürfe erhoben, von den Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien gewusst bzw. diese ignoriert zu haben. 18) Neues Deutschland: Ethnische Vertreibungen mit US-Hilfe?; Artikel vom 23.07.13
Auch können ausländische Investoren in Äthiopien neben geringen Löhnen von fehlenden Schutzmechanismen gegen Kinderarbeit profitieren. Die Kinder stellen billige und oft schutzlose Arbeitskräfte dar. Obwohl die äthiopische Regierung seit 2015 versucht, gegen die schlimmsten Formen von Kinderarbeit und Menschenhandel vorzugehen, ist die Lage im Land weiterhin ernst. So werden Kinder gezwungen in Webereien zu arbeiten. Dies geschieht oft im Zusammenhang mit Menschenhandel. 19) United States Department of Labor: Child Labor and Forced Labor Reports Ethiopia; Stand vom 08.02.17
Kaffeeanbau in Äthiopien: Unfaire Handelsbedingungen beuten das Land aus
Äthiopien ist der fünftgrößte Kaffeeproduzent weltweit. Die Hälfte der exportierten Kaffeebohnen findet ihren Weg in die Europäische Union. Auch Deutschland steht mit einem jährlichen Kaffeekonsum von 5.2 Kilogramm pro Kopf unter den zehn größten Verbrauchern weltweit. 20) caffeineinformer: Caffeine (coffee) – Consumption by country; Stand 15.02.17 Kaffee ist global gesehen die zweitbegehrteste Handelsware hinter Rohöl und generiert Jahr für Jahr einen Umsatz von knapp 100 Milliarden US-Dollar. 21) Kaffeejournal: Die weltwirtschaftliche Bedeutung von Kaffee; Artikel vom 12.07.13 – Link nicht mehr verfügbar
Wie kann es sein, dass ein Land wie Äthiopien, das eines der begehrtesten Produkte weltweit herstellt, immer wieder an Hungersnöten und Wassermangel leidet und über einen 30-prozentigen Bevölkerungsanteil verfügt, der unterhalb der Armutsgrenze lebt?
Der Staat am Horn von Afrika stellt ein Grundnahrungsmittel her, die Kaffeebohne, und verkauft diese zu einem günstigen Preis an Industrieländer. Diese wiederum verarbeiten das Produkt und veräußern es für ein Vielfaches an den Verbraucher. Bis zu drei Euro kostet die Tasse Kaffee hierzulande. Der äthiopische Bauer sieht davon gerade einmal drei Cent. Währenddessen subventionieren Industriestaaten ihre eigenen landwirtschaftlichen Güter und fordern von den Entwicklungsländern, ihre Zollschranken aufzulösen und ihre Märkte zu öffnen. 22) Welt-Sichten: Freihandel hilft den Armen wenig; Stand 30.08.12
Für Äthiopien, das im Kaffeesektor 15 Millionen Menschen beschäftigt und dessen Exporte zu 30 Prozent aus Kaffee bestehen, sind diese unfairen Handelsbedingungen fatal. 23) LIPortal: Äthiopien – Wirtschaft und Entwicklung; nicht mehr verfügbar Geringe Preisschwankungen am Weltmarkt können verheerende Konsequenzen für äthiopische Landwirte nach sich ziehen und sie an den Rand ihrer Existenz treiben. Außerdem entfallen für die äthiopische Regierung immense Einahmen, die das Land zur Bewältigung von Krisen dringend brauchen würde. 24) Context XXI: „Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Hölle und süß wie die Liebe: – über „Black Gold“, Kaffee und die globale Wirtschaft; nicht mehr verfügbar