Tödliches Jahr für Umweltaktivisten: Global Witness veröffentlicht Zahlen für 2018
Vor wenigen Wochen wurde Lateinamerika von zwei Morden an Umweltaktivisten erschüttert: Bei einem der Opfer handelte es sich um den Brasilianer Maxciel Pereira dos Santos, der sich seit Jahren für die Landrechte Indigener und den Erhalt des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet einsetzte. Nur einen Tag nach seiner Ermordung wurde die 35-jährige Guatemaltekin Diana Isabel Hernández Juárez während der Teilnahme an einer Prozession niedergeschossen und starb. Juárez kämpfte seit geraumer Zeit gegen die massive Umweltzerstörung in der Pazifik-Region, unter anderem auch für die Wiederaufforstung entwaldeter Landstriche. 1) epo: Guatemala – Umweltaktivistin Diana Isabel Hernández Juárez ermordet; Artikel vom 16.9.2019 2) Vida Nueva: Dos militantes ambientalistas asesinados en los últimos días en América Latina; Artikel vom 10.9.2019 3) Augsburger Allgemeine: Südamerika: Die Wälder im Amazonas brennen weiter; Artikel vom 11.9.2019
Im Fall von Isabel Hernández nahmen gualtemaltekische Behörden bereits einen Tatverdächtigen fest, der Fall bleibe jedoch weiterhin offen und die Motive für die Tat ungeklärt, so die zuständige Polizei. Dennoch reiht sich das aktuelle Verbrechen nahtlos in eine Zeit ein, in der Umweltaktivisten in Guatemala in großer Gefahr leben. Alleine 2017 und 2018 wurden 39 Personen, die in Zusammenhang mit Umweltschutz standen, ermordet – viele weitere bedroht, eingeschüchtert oder verhaftet. Die Ermordung des Brasilianers Maxciel dos Santos fällt mit einer der größten Umweltkatastrophen des Landes zusammen: Mehr als 100.000 unterschiedliche Feuer lodern im Amazonas-Regenwald, viele absichtlich in Gang setzt, um neue Anbauflächen zu schaffen. Die Regierung unter Jaire Bolsonaro steht derzeit massiv unter Druck, da sich der ehemalige Militär bereits klar auf Seiten der Holzindustrie und Farmer positioniert und Gelder zum Schutz des Regenwaldes und zur Bekämpfung von Waldbränden massiv gekürzt hat. Dos Santos setzte sich für die Rechte Indigener und deren Schutz vor illegalem Bergbau und unerlaubter Abholzung ein. So besteht relativ wenig Zweifel daran, dass seine Ermordung als eine Art „Rache“ für seinen unermüdlichen Einsatz für Mensch und Natur gesehen werden kann. Die näheren Tatumstände lassen gar auf eine gezielte Hinrichtung schließen. 4) Gizmodo: Defender of Brazil’s Indigenous Tribes Murdered ‘Execution-Style’ in Amazon Town; Artikel vom 12.9.2019 5) Tercera Información: Asesinan a la activista ambiental Diana Isabel Hernández en Guatemala; Artikel vom 16.9.2019
Lateinamerika ist der gefährlichste Ort für Menschen, die sich gegen Umweltverschmutzung und -zerstörung auflehnen. Gemäß des neuen Global Witness Report Enemies of the State wurden 2018 dort 83 von weltweit insgesamt 164 Umweltaktivisten umgebracht. In den meisten Fällen ging es um Konflikte mit der Landwirtschaft, dem Bergbau und um den Zugang und die Nutzung von Wasser. Kolumbien führt die traurige Statistik an, mit 24 getöteten Aktivisten, gefolgt von Brasilien (20), Guatemala (16) und Mexiko (14). „Zahllose weitere wurden bedroht oder gar ins Gefängnis geworfen, weil sie es wagten, sich gegen Regierungen bzw. Firmen aufzulehnen, die aus ihrem Land Kapital schlagen wollen“, heißt es im Bericht. 6) Mongabay: Latin America saw most murdered environmental defenders in 2018; Artikel vom 29.8.2019
Obwohl es im Vergleich zu 2017 weniger Opfer gab, scheint sich das Klima für Landverteidiger und Umweltschützer weltweit kaum zu verbessern – im Gegenteil: Brasiliens neuer starker Mann beispielsweise, hat bereits versprochen mehr indigene Schutzreservate für die kommerzielle Entwicklung freizugeben. US-Präsident Trump möchte noch mehr Land großen Öl- und Gasfirmen zur Verfügung stellen. Und in Großbritannien wurden Fracking-Gegner gar des Terrorismus bezichtigt und angeklagt. Es sei ein globales Phänomen, dass Umweltaktivisten kriminalisiert werden. Firmen und Behörden nutzten Gerichte und bestehende Rechtssysteme, um diejenigen mundtot zu machen, die ihre Interessen bedrohen, heißt es in dem Report weiter. 7) Time: 164 environmental activists were killed, while protecting their homes last year, Watchdog says; Artikel vom 30.7.2019
In einer Zeit, in der der Ruf nach mehr Umweltschutz immer größer wird, kann es immer noch lebensgefährlich sein, sich genau für diesen einzusetzen. Weltweit wurden 2018 jede Woche mehr als drei Aktivisten ermordet. Dabei handelt es sich meist um gewöhnliche Menschen, die lediglich versuchen ihre Heimat, ihren Lebensunterhalt und den Planeten zu bewahren. Und während sie dies auf kleiner Ebene tun, leisten sie damit wichtige Beiträge zur Bekämpfung von Fluchtursachen: Beispielsweise indem sie sich gegen die aktive Vertreibung von Indigenen aus ihrer Heimat wehren oder indem sie für den Erhalt des Regenwaldes kämpfen, um so dem globalen Klimawandel zu begegnen. 8) Time: 164 environmental activists were killed, while protecting their homes last year, Watchdog says; Artikel vom 30.7.2019
Besorgniserregend an dieser Situation ist vor allem die Tatsache, dass die Täter häufig Straffreiheit genießen. Entweder sie werden erst gar nicht gefasst, da Staat und Behörden nur wenig Interesse an der Aufklärung derartiger Verbrechen zeigen, oder sie werden gar von korrupten Politikern gedeckt. So bleiben in den meisten Fällen auch die Motive hinter solchen Taten ungeklärt. Klar ist jedoch, in welchem Zusammenhang diese Morde geschehen und wer die Nutznießer sind. So rechnet Global Witness 43 der Todesfälle 2018 dem Bergbausektor zu, aber auch im Rahmen von Konflikten um Wasser oder mit der Agro- oder der Holzindustrie kam es zu derart schrecklichen Vorfällen. 9) Global Witness: Enemies of the State? – How government and businesses silence land an environmental defenders; Artikel vom 30.7.2019
Offensichtlich ist auch, dass hinter derartigen Taten kapitalistische und machtpolitische Interessen von Konzernen oder Politikern stehen. Entweder es geht um die Profitsteigerung und das Wachstum um jeden Preis oder es geht um kurzfristige Erfolge, den eigenen Machterhalt und das Einlösen von (Wahl-)Versprechen gegenüber gewissen Industriebranchen, also um Lobbyismus. Es ist beängstigend, dass solche Ziele in manchen Staaten teilweise sogar über dem Erhalt von Menschenleben stehen. Doch der Bericht von Global Witness belegt dies leider eindrucksvoll. Aber auch wir als Konsumenten stehen in der Verantwortung. So ist es unsere stetig wachsende Nachfrage nach Produkten aller Art, die die Unternehmen zu bedienen versuchen. Nur wenn wir selbst unsere Lebensweise und unser Konsumverhalten kritisch betrachten, kann auch die Industrie bzw. Politik zu einem Umdenken bewegt werden.
Fußnoten und Quellen:
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