EU-Migrationskooperation mit Afrika: Grenzen dicht um jeden Preis
Die Europäische Union hat eine neue Strategie gefunden, wie sie die Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, senken kann. Für dieses Ziel schreckt die EU nicht davor zurück, mit diktatorischen Regimen und Staaten, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, zusammenzuarbeiten. Mit Hilfe von Kooperationen mit dem Tschad, dem Niger oder Libyen soll erreicht werden, dass eine neue Außengrenze der EU entsteht und das mitten auf dem afrikanischen Kontinent. Dort schon sollen Flüchtlinge abgefangen werden, um somit ihr Weiterkommen Richtung Europa zu verhindern. Doch dieser Schutzwall, der von Mauretanien bis Äthiopien reichen soll, ist unter völkerrechtlichen und humanitären Gesichtspunkten mehr als fragwürdig.
In Ostafrika wird dieses neue Grenzmanagement schon seit 2014 praktiziert. In Zusammenarbeit mit umstrittenen Staaten wie Eritrea und dem Sudan wurde der Grenzschutz Europas nach Afrika verlegt, indem dort bereits die Route zum Mittelmeer blockiert wurde. Das gleiche soll nun auch in Westafrika geschehen. Dazu traf sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Juni mit den Staatschefs von Mauretanien, Burkina Faso, Mali, Niger und dem Tschad, um die sogenannte „G5 Sahel Task Force“ zu bilden. Diese Gruppe soll offiziell gegen den Terror in den Ländern vorgehen. Doch weitere Aufgaben, die die Eingreiftruppe übernehmen soll, sind Grenzkontrollen und das Vorgehen gegen Menschenhandel. Dabei geht es aber weniger um den Handel mit Menschen, als vielmehr um das Stoppen von Flüchtlingsströmen.
Bei diesem Vorhaben werden die gravierenden Folgen für die schutzsuchenden Flüchtlinge von der EU offenbar weitestgehend ignoriert. Denn die neuen afrikanischen „Migrationspartner“ sind zum Großteil Länder, in denen die Regierung weder Rechtsstaatlichkeit noch Menschenrechte umsetzt. Ein Beispiel hierfür ist der Tschad. Seit 27 Jahren regiert Staatsoberhaupt Idriss Déby das Land autoritär. Sein brutales Militär, das für Menschenrechtsverletzungen bekannt ist und die enorm hohe Korruption prägen das Land. Im Austausch mit Waffen soll der Tschad nun Flüchtlinge abfangen und am Weiterkommen nach Europa hindern. Dabei ist jedem klar, dass sich die Situation der Flüchtlinge, die dort gestoppt werden, nicht verbessert, sondern sich sogar wahrscheinlich weiter verschlechtern wird. Im Tschad leben jetzt schon etwa 400.000 Geflüchtete, darunter vor allem Menschen die aus der Zentralafrikanischen Republik fliehen mussten und Flüchtlinge aus Nigeria und dem Sudan. Und alle leben sie unter schlechten Bedingungen in überfüllten Flüchtlingsagern. Seit die Terrorgruppe Boko Haram auch im Tschad Angriffe verübt, sind etwa 105.000 Einheimische im eigenen Land auf der Flucht. 1) Presse-Nachrichten: EU-Migrationspolitik: Warum Libyen und Niger extrem schwierige Partner sind; 28.08.17 (nicht mehr aufrufbar)
Auch mit dem Niger kooperiert die EU, indem sie das Land mit Militarisierungsmaßnahmen unterstützt, damit der Niger seine Grenze zu einem Schutzwall gegen Flüchtende aus Westafrika ausbaut. Doch die Flüchtlinge weichen einfach auf andere Routen aus. Und diese führen direkt durch die Ténéré-Wüste. Tausende Menschen sterben dort durch Hunger, Durst, islamistische Terroristen oder andere bewaffnete Milizen. Viele sagen, die Wüste sei ein noch viel größerer Friedhof als das Mittelmeer. 2016 starben dort 5000 Menschen, in der Wüste, so wird geschätzt, gab es ungefähr dreimal so viele Tote. 2) Tagesschau: Endstation Ténéré Wüste; Artikel nicht mehr verfügbar
Die EU nimmt also in Kauf, mit antidemokratischen und brutalen Regimen zusammen zu arbeiten, nur um Flüchtlinge fern zu halten. Und auch, dass neue noch gefährlichere Routen von Schleusern erschlossen werden, hindert die EU nicht an ihrem Vorhaben. Außerdem werden mit dieser Art von Migrationspolitik Fluchtursachen nicht etwa bekämpft, wie es der eigentlich sinnvolle und langfristig erfolgreiche Weg wäre. Die Ursachen für Flucht werden sogar eher noch verschlimmert. Obwohl Menschenrechtsorganisationen immer wieder betonen, dass das tschadische Militär wiederholt auf brutale Art und Weise Menschenrechtsverletzungen begeht, sichert die Europäische Union trotzdem militärische Unterstützung für die Armee im Tschad zu. Hier hilft die EU also maßgeblich, die Gewalt im Land zu schüren, aufgrund derer schon viele Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Im Endeffekt profitieren weder Europa noch die Asylsuchenden von der Grenzverschiebung Richtung Süden. So sollten die EU-Mitgliedsstaaten endlich die Wurzel des Problems anpacken, anstatt immer nur die Symptome der Flüchtlingskrise zu bekämpfen. 3) ARD Monitor: Grenzen dicht in Afrika: wie die EU Flüchtlinge vom Mittelmeer fernhalten will; 25.08.17
Fußnoten und Quellen:
Keine Kommentare