Rezension der Neuausgabe des Bildbandes „Exodus“ von Sebastião Salgado
In seinem Bildband „Exodus“ porträtierte der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado in den 90er Jahren Menschen, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingsbewegung entschied sich der Taschen-Verlag 2016 dazu, diese Bilddokumentation erneut herauszugeben. Krieg, Unterdrückung, Armut, Elend, Naturkatastrophen und Völkermord sind die extremen Bedingungen, die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat aufzugeben und die, in der Hoffnung weiterzuleben, fliehen. Die Fotografien visualisieren und thematisieren Krisenherde auf der ganzen Welt. Das Projekt von Salgado liegt mittlerweile zwei Jahrzehnte zurück. Umso erschreckender ist es, dass sich in mancher Hinsicht kaum etwas verändert hat. Ursprünglich sollten die Aufnahmen einen Bewusstseinswandel hervorrufen und die Menschen aufrütteln. Ein Bulldozer befördert Berge an Leichen in Massengräber nach dem Völkermord in Ruanda 1994. Personen mit teilnahmslosen Gesichtsausdrücken stehen daneben. Krankheiten breiten sich in überfüllten Flüchtlingslagern aufgrund unzureichender Hilfsmittel aus und der Tod ist ein ständiger Begleiter. Fotografien von Menschen, deren Hoffnung langsam auf dem beängstigenden Weg in ein neues Land erlischt. Es ist kein Buch, mit dem man sich gerne am Frühstückstisch auseinandersetzt oder über das man gar ein unterhaltsames Gespräch führen kann. Es visualisiert eine Welt, die so weit weg scheint und die man automatisch von sich wegschieben möchte. Aber gerade das ist die gnadenlose und brutale Realität. Reportagen über Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken, Aufnahmen von Kindern, die in Somalia verhungern oder Individuen, die Tag für Tag mit Armut und Gewalt konfrontiert sind, werden täglich in den Medien gezeigt. Berichte aus aller Welt über Konflikte, Kriege, Naturkatastrophen und erbarmungslose Despoten sind existent und durch die Globalisierung und mediale Verbreitung sind wir zu jedem Zeitpunkt über diese Zustände informiert. Daraus resultiert die Frage, wieso sich die Aufnahmen im Zeitraum von beinahe einer Generation kaum verändert haben? Natürlich gab es Veränderungen: der Vietnam Krieg ist beispielsweise beendet. Es macht jedoch den Anschein, als hätten sich teilweise nur die Schauplätze verändert, auf denen die Menschen nun von Grausamkeit und Gräueltaten heimgesucht werden.
Es gibt unterschiedliche Hautfarben, Kulturen und Sprachen, aber die Gesichtsausdrücke sind dieselben. Die Aufnahmen von Sebastião Salgado zeigen auch fast 20 Jahre nach der Jahrtausendwende unsere Gegenwart. Diese erschreckende Tatsache soll die Neuerscheinung des Bildbandes „Exodus“ verdeutlichen.
Persönlich haben mich die Aufnahmen sehr berührt. Die Redewendung „ Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ trifft hier vollkommen zu. Meiner Meinung nach ist es von äußerster Bedeutung, dass vergangene Kriege, Naturkatastrophen und Grausamkeiten nicht vergessen werden. Deshalb finde ich den Vergleich von Gegenwart und Vergangenheit, der durch diese erneut herausgegebene Bilderdokumentation verdeutlicht werden soll, sehr aussagekräftig. Wie Sebastião Salgado schrieb: „ Wir können es uns nicht leisten, den Blick abzuwenden“. Weder von der Vergangenheit noch von der Gegenwart. 1) TASCHEN – Verlag: Exodus; 432 Seiten; Bildband; 49,99€
Fußnoten und Quellen:
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