Südsudan: Das Elend, das kein Ende nimmt
Krieg zwischen zwei politischen Lagern, ewiges Scheitern ständig neuer Friedensverträge, zehntausende Tote und Millionen von Flüchtlingen. Außerdem ist fast die Hälfte der Bewohner des Landes von Hunger bedroht. 1)Tagesschau: Ein Land, aufgefressen vom Hass; nicht mehr verfügbar Im Südsudan herrscht Chaos. Mindestens 36 000 Menschen wurden laut UN Angaben durch die jüngsten Kämpfe in die Flucht getrieben, mindestens 270 Menschen getötet. Kurz vor dem fünften Jahrestag der Unabhängigkeit der jüngsten Nation der Welt eskalierten die Kämpfe zwischen regulären Streitkräften und ehemaligen Rebellen. 2)Frankfurter Allgemeine Zeitung: Südsudan. Bundeswehr schließt Evakuierung ab; 13.07.2016 Es handelt sich deshalb um eines der Länder mit dem höchsten Grad an konfliktbedingter Vertreibung weltweit. Jeder vierte Südsudanese wird zur Flucht gezwungen, ein Großteil von ihnen Kinder. Die Weltgemeinschaft sieht zu. 3) UNHCR: Südsudan: Getrübte Bilanz zum 5. Unabhängigkeitstag; nicht mehr verfügbar
„Wir, die demokratisch gewählten Vertreter des Volkes, erklären den Südsudan auf der Grundlage des Willens der Bevölkerung und des Ausgangs des Referendums zur Unabhängigkeit hiermit zu einer unabhängigen und souveränen Nation.“ James Wani Igga 4)Zeit Online: Der Südsudan feiert seine Unabhängigkeit; 09.07.2011
Am 9. Juli vor fünf Jahren war die Stimmung im Land geprägt von Jubel und Hoffnung, als der Sprecher des südsudanesischen Parlaments die Unabhängigkeitserklärung verliest. Kurz darauf legt der neue Präsident Slava Kiir seinen Amtseid ab: „Ich, General Salva Kiir, schwöre beim allmächtigen Gott, dass ich als Präsident des Südsudans treu dienen werde. Ich werde die Einheit des südsudanesischen Volkes schützen und fördern, so wahr mir Gott helfe.“ 5)Tagesschau: Der Südsudan steht am Abgrund; nicht mehr verfügbar Doch zu dieser Einheit sollte es nie kommen. Nach der Unabhängigkeit machte der Konflikt nur eine kurze Pause, bereits 2013 stürzte das ostafrikanische Land in einen weiteren Bürgerkrieg. Seitdem mussten erneut tausende Menschen sterben, etwa 2,5 Millionen Weitere sind auf der Flucht. Der Südsudan wurde einmal mehr zum grausamen Kriegsschauplatz, in dem sich Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar abwechselnd bekämpfen oder Frieden schließen. Ihnen Gefolgschaft leistende Banden und Milizen stellen eine Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar, morden, brandschatzen und foltern. Hunger und Tod sind wieder einmal an der Tagesordnung. Dabei hoffte man, dass mit der Unabhängigkeit alles besser werden würde. 6)Tagesschau: Der Südsudan steht am Abgrund; nicht mehr verfügbar
„Wir haben es geschafft, die Vergangenheit zu überwinden und blicken in eine Zukunft voll neuer Möglichkeiten“, Parlamentspräsident James Wani Igga 7)Spiegel Online: Südsudan: Eine Nation wird geboren; 09.07.2011
Auch viele westliche Nationen, allen voran die USA, bauten auf die Unabhängigkeit des Südsudans und unterstützten diese damals tatkräftig. Damals ging es um die Abspaltung der südlichen Region vom Sudan, ein Krieg, der insgesamt über 40 Jahre lang dauern sollte und zwei Millionen Menschenleben fordern, sowie 4 Millionen zur Flucht zwingen würde. Als besonders blutig und langwierig präsentierte sich der zweite Bürgerkrieg, der von 1983 – 2005 dauerte. Die Gründe für diesen Konflikt waren zahlreich. Genannt werden müssen vor allem der kulturelle Unterschied zwischen dem mehrheitlich muslimischen Norden und dem christlich-animistischen Süden, die wirtschaftliche Vernachlässigung des Südens und vor allem der Kampf um die Territorien, die die meisten Ressourcen beherbergten. Eine besonders große Rolle hierbei spielte das Öl. Der Sudan verfügt über die größten Petroleumreserven auf dem Kontinent, von denen sich 75 Prozent im Süden befinden. 8)Länderinformationsportal: Südsudan; nicht mehr verfügbar Es ist also kein Wunder, dass externe Mächte sich in den Konflikt einmischten, um die eigenen Interessen zu sichern. Die USA und Deutschland hätten dabei traditionell die Rebellen des Südens unterstützt, die mit der Zentralregierung jahrelang einen Bürgerkrieg um die Einnahmen aus dem Ölgeschäft führten, erklärte ein Sprecher der IPPNW-Deutschland. 9)IPPNW-Deutschland: Deutschland und die Rohstoffkriege; Stand 14.07.2016 Aufgrund intensiven internationalen Drucks konnte schließlich 2005 ein Friedensabkommen ausgehandelt werden, indem dem Süden zunächst ein Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen aus dem Ölgeschäft zuerkannt wurde und schließlich ein Referendum in Aussicht gestellt wurde, bei dem die Bevölkerung der südlichen Regionen selbst über ihre Zukunft entscheiden sollte. Daraufhin boomte die Entwicklungshilfe im Südsudan. Allein im Jahr 2010 wurden mehr als drei Millionen Euro für Projekte im Land vom BMZ bereitgestellt. 10)CDU/CSU Blogfraktion.de: Nicht zum Scheitern verurteilen! Der Südsudan nach der Unabhängigkeit; 27.07.2011 Milliarden wurden als Hilfsgelder aus Deutschland und den USA in den Südsudan geschickt. Wenig davon floss in die Bewältigung der ethnischen Unruhen, 11)AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus; Stand 14.07.2016 viel Geld hingegen in die Vorbereitung einer potenziellen Sezession des Südsudan, entgegnen Kritiker des deutschen entwicklungspolitischen Engagements. Friedenshilfe sei gleichgesetzt worden mit dem Aufbau staatlicher Strukturen, des Militärs und der Polizei unter Vorherrschaft der SPLM/A. Die Einheit des Sudan zu fördern, sei nicht das primäre Ziel der Entwicklungshilfe gewesen. Vielmehr sei es um die Schaffung eines alternativen Regimes gegangen, um die Vorbereitung einer Zwei-Staaten-Lösung. Der Zugang zum Erdöl und eine alternative Kraft zum Islamismus könnten zu den Hauptinteressen der Interventionisten gehören. 12)IMI-Studie 2012/17: Südsudan: ein Paradebeispiel für
State-Building; Ausdruck Dezember 6/2012 13)Zeit Online: Wahl und Referendum rufen Kriegstreiber auf den Plan; 08.01.2010
„Neues Jahr, neue Bundesregierung. Alte Gleichgültigkeit. Im Südsudan sind Tausende Menschen in akuter Lebensgefahr. Die Deutschen schicken Lebensmittel und Medikamente und empfehlen eine friedliche Lösung. Damit, so finden sie, haben sie ihren Beitrag geleistet.“ 14)Genocide Alert: Deutsche Soldaten für Südsudan: Außenansicht aus der Süddeutschen Zeitung ; 11.01.2014
Im Januar 2011 fand dann schließlich das Referendum statt, das in 99 Prozent der Stimmen für die Abspaltung endete. Nach der Unabhängigkeitserklärung erkannten zahlreiche Staaten, darunter auch Deutschland, die neue Republik sofort an. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dem Land deutsche Unterstützung zu und nahm diplomatische Beziehungen auf: „Wir wollen, dass mit dem Nord- und mit dem Südsudan zwei stabile Staaten entstehen. Und der Südsudan braucht insbesondere unsere und die Unterstützung der gesamten Staatengemeinschaft.“ 15)Zeit Online: Der Südsudan feiert seine Unabhängigkeit; 09.07.2011 Bei einem Besuch im Südsudan am im April 2011 stellte Bundesminister Dirk Niebel die Bewilligung von weiteren 13 Millionen Euro für die Zeit nach der Unabhängigkeitserklärung in Aussicht. 16)CDU/CSU Blogfraktion.de: Nicht zum Scheitern verurteilen! Der Südsudan nach der Unabhängigkeit; 27.07.2011 Insgesamt hat der deutsche Staat damit seit 2009 mehr als 800 Millionen Euro im Sudan und Südsudan in Staatsaufbau und Stabilisierung investiert. 17)Genocide Alert: Deutsche Soldaten für Südsudan: Außenansicht aus der Süddeutschen Zeitung ; 11.01.2014 Die Entwicklungsprogramme schienen von 2011 bis 2013 in der Hauptstadt Juba kurzzeitig Früchte zu tragen. Aber die Beziehungen zum Sudan verschlechterten sich. 2012 wurden die Ölexporte eingestellt, Korruption sowie Gräueltaten in der Armee häuften sich und das Vertrauen in die Regierungspartei SPLM stellte sich als Fehleinschätzung heraus. Die schlimmste Folge für die Bevölkerung jedoch ist, dass trotz internationaler Unterstützung für den Friedensprozess nach wie kein Frieden herrscht. 18)Deutsches Institut für Entwicklungspolitik: Die Verantwortung für die Tragödie im Südsudan liegt bei der politischen Elite des Landes; 07.05.2014 Bereits im Dezember 2011 beschloss der UN Sicherheitsrat einstimmig, 5.500 zusätzliche Sicherheitskräfte in den Südsudan zu schicken, um Zivilisten zu schützen. Der Außenminister begrüßte diesen Beschluss und ließ verlauten: „Die internationale Gemeinschaft handelt.“ Deutschland, so Frank-Walter Steinmeier, engagiere sich mit humanitärer Hilfe und „entwicklungspolitisch.“ Einige Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dieses Engagement sei einfach zu wenig für ein Land, dass eine wichtige Rolle bei der Sezession gespielt habe. 19)Genocide Alert: Deutsche Soldaten für Südsudan: Außenansicht aus der Süddeutschen Zeitung ; 11.01.2014
„Die Menschen, die im Flüchtlingslager ankommen, erzählen, dass all ihr Hab und Gut von den Soldaten verbrannt wurde“, sagt ein Mann. „Ihnen ist zu Hause nichts mehr geblieben.“ 20)Tagesschau: Der Südsudan steht am Abgrund; nicht mehr verfügbar
Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Unterstützung währte der Frieden im jüngsten Staat der Erde nicht lang. Im Dezember 2013 brach ein neuer Bürgerkrieg aus. Diesmal ging es nicht um den Einfluss aus dem Norden, sondern um die Macht innerhalb des Landes und nicht zuletzt auch um den Zugriff auf die Ölvorkommen. 21)Die Welt: Fünf Antworten, die die Krise in Südsudan erklären; 16.08.2015 Und obwohl im August 2015 der Bürgerkrieg durch ein Friedensabkommen formell beendet wurde, glaubt im Land eigentlich niemand mehr an Frieden. Anscheinend zu Recht – denn die blutigen Kämpfe gehen weiter. „Wenn wirklich Frieden wäre, in den Herzen der Menschen, dann würden nicht jeden Tag Zivilisten getötet, vergewaltigt, misshandelt. Es ist so schwierig“, so eine Einheimische. 22)Tagesschau: Der Südsudan steht am Abgrund; nicht mehr verfügbar Allein letzten Monat wurden über 40 Menschen bei Zusammenstößen in der Region Wau getötet, mehr als 35.000 vertrieben. 23) UNHCR: Südsudan: Getrübte Bilanz zum 5. Unabhängigkeitstag; nicht mehr verfügbar Aber sollten uns Krieg und Chaos nach jahrelanger Entwicklungspolitik nicht zu denken geben? Es wäre an der Zeit nach neuen und menschenfreundlicheren Alternativen zu suchen. Entwicklungspolitik die auf die Vorteile der örtlichen Bevölkerung ausgelegt ist, und nicht auf die eigenen Interessen und den Zugang zu Ressourcen. Und vor allem ist es unbedingt notwendig den einheimischen Stimmen mehr Gewicht zu geben und besser zuzuhören: „Wir sagten ihnen [UN-Botschafter], bitte ignoriert nicht die Friktionen, die sich hinter dem Krieg um die Unabhängigkeit im Verborgenen halten. Aber sie dachten nur an Entwicklung und sagten: “Lasst uns nur genug Geld zur Verfügung stellen.“ Die Stimmen, die auf Kontrollen drängten, blieben in der Minderheit und wurden vernachlässigt und überhört“, so Edmund Yakani, der Independent Community for Progress Organization in Juba über sein Gespräch mit der UN in New York. 24)AG Friedensforschung: Sudan/Südsudan: Die tödlichen Folgen des Kolonialismus; Stand 14.07.2016
Fußnoten und Quellen:
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